Mediation als Werkzeugkoffer der Gewaltprävention am Beispiel des OSKA Projektes im Kulturzentrum E-WERK in Erlangen

Mediation wird immer populärer. Die Zeiten, in denen man als Mediator Aussagen hörte, wie „Ach das ist ja toll, meine Frau macht Reiki wollen Sie sich nicht zusammen tun?“ sind nicht mehr so häufig an der Tagesordnung. Jahrelang haben der Bundesverband Mediation (BM), und andere Mediations-Interessensverbände gute Arbeit geleistet.

Inzwischen hält Mediation Einzug in internationalen Unternehmen, wird verwendet in Verhandlungen im Kunden- und Unternehmensbereich sowie im Controlling, und damit in der Organisations- und Personalentwicklung. Reibungsverlust und Konfliktkosten sind keine utopischen Begriffe mehr, sondern haben betriebswirtschaftliche Bedeutung gewonnen. Die Universitäten ziehen nach und bieten mehr und mehr Studiengänge oder Aufbaustudiengänge an. Im sozialen Bereich ist die Mediation oft noch die Notfallinjektion für Konflikte im Personalbereich. Ich höre da noch laut eine Fachbereichsleitung sagen: „Wenn ihr das im Team nicht mit dem Supervisor hinkriegt, dann kommt halt ein Mediator!“. Da klingt schon ein wehe wehe… dann kommt der Mediator und der sagt euch dann, wo es lang geht nach.
Und ganz genau so ist es nicht.
Mediation kann mehr als Kosten sparen und Teams wieder zusammenfinden lassen.

Mediation ist eine Methode der gewaltfreien Moderation in Krisen- und Konfliktsituationen. Sie ist für den Prozess verantwortlich, aber nicht für den Inhalt. Der Mediator ist dabei allparteilich und bestrebt, in der ersten Instanz den Grund oder die Ursache für das Verhalten der Medianten zu erforschen, um in zweiter Instanz die Missverhältnisse erhellen zu können und in dritter Instanz Lösungsoptionen herauszufinden, die den Parteien oft noch nicht bewusst sind.
Der Kern der OSKA Arbeit liegt im ehrenamtlichen Engagement von Jugendlichen und Erwachsenen, die sich gewaltfreie Konfliktlösung als oberstes Ziel gesteckt haben.
Im Sinne von Zivilcourage sind die OSKAs bei Jugendveranstaltungen oder anderen Ansammlungen von Jugendlichen vor Ort und arbeiten als Peer-Mediatoren. Ihr Hauptaugenmerk gilt dabei dem Erkennen und Intervenieren von Situationen die sich als mögliche Ausgangspunkte für Gewalt entwickeln könnten. In der Praxis sieht das so aus: OSKAs werden von Veranstaltern (Kulturzentren, Diskotheken, Open-Air, Jugendamt usw.)
wie ein Security, Sanitäts oder Feuerwehrdienst gebucht.
Danach wird ein Einsatzteam, das zwischen fünf und zehn Personen im Alter von 14 – 46 Jahren umfasst, zusammengestellt.
Dem Leitsatz entsprechend sind OSKA`s auf der Suche nach dem Grund für Aggression und Gewalt, sprechen fremde Menschen niederschwellig an, medieren Streitgespräche und sorgen somit für ein friedvolles Miteinander.
Um Mediation als Gewaltprävention nach dem OSKA Model verstehen zu können müssen wir von folgenden Thesen ausgehen:

  • „ Es gibt 1000 gute Gründe für Blödes Verhalten!“ Ljubljana Wüstehube
  • Konflikte erzeugen Reibung. Reibung erzeugt Wärme und
  • Wärme erzeugt Energie.
  • Störungen haben Vorrang.
  • „Verstehen heißt nicht einverstanden sein“ Konrad Lorenz

Es gibt 1000 gute Gründe für blödes Verhalten….
In der Gewaltprävention nach OSKA gehen wir von vier Motivatoren für Gewalt aus….

a) Eine Krankhafte Neigung zu Gewalt….

Diese hier näher zu erläutern würde uns in den Bereich der Tiefenpsychologie und der Psychopathie, dem Kick und Floh der Schmerz Erfahrung und Bereitung führen die in diesem Rahmen nicht näher betrachtet werden soll und auch unserem Aufgabenbereich als Konfliktkoordinatoren sprengen würde. Ein Beispiel hier wäre das folgende Denkmuster:
„Heute werde ich mich Prügeln! Ich finde jemanden den ich Schmerzen zufügen kann damit ich mich gut, oder besser fühle.“
b) dem Motiv im Sinne eines Kontenausgleichs

Dort finden wir in der Jugendgewalt einige Punkte, die als Rechtfertigungen von Gewaltausübung, also den Grund, für das Verhalten, Antworten geben könnten. In der Rechtssprechung werden dafür immer gern auch die Bezeichnungen „Niedere Beweggründe“ hergenommen, z.B. Hass, Neid, Liebe, Ehre, Eifersucht…..
Ein Beispiel dazu wäre:
Karl und Otto kennen sich vom sehen. Otto findet Maria seit langem toll und hat sich in sie verliebt. Bei einer Feier sieht Otto, wie Karl in seinem Feierwahn mit Maria rumknutscht und fummelt. Otto brennt vor Wut und will Karl bei der nächsten Gelegenheit zeigen, was er für ein Kerl ist. Ihm spannt niemand die Freundin aus.

c) Dem emotionalen Rucksack

Wir erklären den „emotionalen Rucksack“ als ein Paket von Erlebnissen die im Familien-, Schul- oder Alltagssystem eine Ohnmacht und damit eine Wut ausgelöst haben, die in diesem Rucksack mitgebracht werden.
Diese mitgebrachten Gefühle brechen dann dort aus wo es einen Anlass dafür gibt sich erniedrigt zu fühlen.
Bei dieser These wird die Wut dort platziert, wo es auch nur den geringsten Anlass der „Missachtung“ gibt.
Ein Beispiel dazu wäre:
Elisabeth hat einen riesen Streit mit Ihrer Mutter. Seit Wochen hackt sie nur auf Ihr rum.
Mal sind es die Schulischen Noten, mal ihre Unzuverlässigkeit. Immer wird Ihr gesagt sie solle sich ein Beispiel an Ihrer großen Schwester nehmen. Gestern hat auch noch ihr Freund mit ihr Schluss gemacht. Seit der Trennung Ihrer Eltern ist nichts mehr wie es war. Als sie am Freitag vom neuen Türsteher, in ihrer Stammdiskothek, nach dem Ausweis gefragt wird flippt sie aus.

d) Dem Missverständnis

Nach unserem Erfahrungsbereich das Häufigste. Ein Missverständnis zwischen dem was gesagt und gehört wurde. Zwischen dem was ich dachte gesehen zu haben und dem was geschehen ist.
Beispiel:
Bei einer Jugendveranstaltung stehen Thomas und seine Clique aus dem Gymnasium am Eingang. Ernst erzählt einen Witz, worauf Thomas laut und mächtig lacht. In diesem Moment geht Ali vorbei und denkt er wird ausgelacht. Ali stürmt auf Thomas zu und sagt: „Was hast du gesagt? Bin ich ein Opfer oder was??“
Bei den Missverständnissen spielen meist kulturelle Unterschiede eine entscheidende Rolle. Beispielsweise wird das Empfinden für Humor und Ernst jeweils anders definiert und wahrgenommen. Ebenso häufig entsteht ein Missverständnis in der Interpretation der Wahrnehmung zwischen den Einzelnen bei Körperkontakt („Ey der hat angefangen mich zu schubsen!“ )

Was bringt uns das Wissen um diese Thesen in der mediativen Gewaltprävention?
Es bringt uns die Gewissheit, dass keiner einfach mal nur so, weil jetzt gerade die Situation heute nach Gewalt schreit, gewalttätig wird. Jeder hat einen Grund. Meist sind es sogar gute Gründe. Gut im Sinne von positiven Leitmotiven. Dies ist eine der wichtigsten Annahmen, um einen erfolgreichen und allparteilichen Schlichtungsprozess in Gewaltsituationen zu beginnen. Nicht den Augenmerk auf unser scheinbares und von unserer Moral geprägtes Gerechtigkeitsempfinden zu lenken, nicht in göttlicher Weisheit Gerechtigkeit zwischen scheinbaren Tätern und Opfern zu lenken, sondern sich einzulassen auf Menschen die Gründe für Ihr Verhalten haben.
Konflikte erzeugen Reibung. Reibung erzeugt Wärme und Wärme erzeugt Energie.
Einer meiner Lieblingssprüche in der Ausbildung von OSKA-Mediatioren. Konflikte erzeugen Energie. Toll oder? Was bedeutet das? Überall dort, wo Konflikte entstehen, ist Platz für neues. Da ist Leidenschaft für Dinge, die darauf warten gefunden zu werden, die im einzelnen Schlummern und oft in solchen Prozessen sichtbar werden. Am OSKA Beispiel war die Ausgangslage, dass es ein vermehrtes Jugendgewaltaufkommen in der Innenstadt und bei Jugendveranstaltungen gab. Dies ging soweit, dass sich Jugendgruppen zum Prügeln verabredet hatten, oder sich bewusst mit den Türstehern oder anderen Gruppen reiben wollten. Einen Teil dieser „gewaltbereiten und gewalterfahrenen Profis“ haben wir jetzt in unserem Projekt. Sie haben sich bewusst für die andere Seite entschieden. Was noch dazukam war, dass auch die Türsteher nicht immer nur die bösen schwarzen Sheriffs sein wollten, sondern nach Alternativen gesucht haben, mit Konflikten umzugehen. Konflikte verändern und machen den Weg frei für neue Dinge. Damit lässt sich doch gut arbeiten oder? (Bild: OSKAs )
Störungen haben Vorrang!
Meist nehmen wir veränderte Abläufe in unserm Bild von dem, wie etwas sein soll, als besonders STÖREND war. Wir interpretieren dies als eine Missachtung unserer Person, unserer Leistung und unseren Bestrebens ein guter Mensch zu sein. Diese Interpretationen helfen uns aber nicht, Gewalt als Merkmal für eine Disharmonie von Bedürfnissen zu erkennen.
„Deine Gewalt ist nur ein stummer Schrei nach Liebe
Deine Springerstiefel sehnen sich nach Zärtlichkeit
Du hast nie gelernt dich zu artikulieren
Und deine Eltern hatten niemals für dich Zeit
(Ohoho) Arschloch!“
Die Ärzte

Nach Masslow, gehen wir, wenn wir das Model im Groben sehen wollen davon aus, dass Menschen nach der Erfüllung folgender Bedürfnisse agieren:
• körperliche Grundbedürfnisse: Atmung (saubere Luft); Wärme (Kleidung); Trinken (sauberes Trinkwasser); Essen (gesunde Nahrung); Schlaf (Ruhe, Entspannung)
• Sicherheit: Unterkunft/Wohnung; Gesundheit; Schutz vor Gefahren; Ordnung (Gesetze, Rituale)
• Soziale Beziehungen: Freundeskreis, Partnerschaft, Liebe, Nächstenliebe, Sexualität, Fürsorge, Kommunikation
Eine Disharmonie der Bedürfnisse selbst zu erkennen, ist für den Betroffenen schwieriger als für den Außenstehenden. Christoph Besemer macht das in seinem Eisbergmodel sehr bildlich deutlich. An der Oberfläche werden Dinge sichtbar, die unter der Wasseroberfläche darauf warten nach oben zu kommen. Und wenn wir an die Titanic denken, sind es die Dinge, die ein Riesen Schiff zum Kentern gebracht haben. In der OSKA-Ausbildung arbeiten wir mit einem hohen Anteil an Selbsterfahrung. Sich selber gut zu kennen und zu schätzen, die Fähigkeiten und Ressourcen jedes Einzelnen sind der Hauptbestandteil des Projektes. Eine heterogene Gruppe von Männer und Frauen verschiedenster Herkunfts- und Sozialkulturen im Alter von 15 – 46 Jahren, die ein gemeinsames Ziel verfolgen: Konflikte zu regulieren bevor Gewalt entsteht.

„Verstehen heißt nicht einverstanden sein“ Konrad Lorenz

Gewaltprävention durch Mediation bedeutet, Konflikte ernst zu nehmen. Sie früher zu erkennen und sie zu verstehen. Ein Auge zu bekommen dafür, was an Bedürfnissen wo schlummert, um früher einzugreifen und oft nur mit einem schnellen Mandat ein Missverständnis zu klären. Mediation im öffentlichen Raum bedeutet, Menschen und Jugendliche in Ihren Bedürfnissen und den Störungen dieser ernst zu nehmen. Liebeskummer fühlt sich mit 13 genauso schlimm an wie mit 60. Ärger und Wut ebenso. OSKA- Mediatoren sind jedoch nicht einverstanden mit einer Lösung, die durch Gewalt eine Situation hervorruft, in der einer der Gewinner und der andere der Verlierer ist. Die Lösung liegt hier nur dann vor, wenn beide sich als Gewinner sehen, ohne einen Urteilsspruches des Recht habens und des im Unrecht seins.
Angelika Preuss
(Mediatorin, Interkulturelle Trainerin, Business Coach)

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